Zurück von meiner weiten Reise komme ich langsam wieder an in meinem Alltag. All das Erfahrene und Erlebte will integriert werden und ich spüre, das braucht Zeit! Zeit, innezuhalten, wahrzunehmen – mitten im Alltag – auch und ganz besonders, wenn ich meine, keine Zeit dafür zu haben, wenn mein System auf Autopilot schaltet und ich unmittelbar wieder hineinstolpere in alte Gewohnheiten .
Es rief mich, an dem Platz, an dem ich 2008 meine allererste Visionssuche gemacht habe noch einmal eine Nacht zu verbringen. Etwas war noch offen. So machte ich mich auf den Weg nach Südengland, mit dem Auto. Schon auf der Hinfahrt wurde meine Denken ordentlich durcheinandergebracht und mein Vertrauen herausgefordert: der Weg durch 5 Länder mit 2 Fähren, Linksverkehr, Zeitumstellung und die Betankung mit Erdgas, die nicht überall möglich ist, forderten mich und ließen mich gleichzeitig fühlen, dass meine Reise wunderbar getragen und geführt war.
Meine Visionssuche im Jahr 2008 bedeutete damals für mich einen großen Umbruch in meinem Leben. Das Alte trug nicht mehr und das Neue war noch nicht da. Aber ich war bereit für Veränderung, uns so erfuhr ich damals den Segen, meine Aufgabe hier auf der Erde erfahren zu dürfen. Doch konnte ich damals noch nicht so richtig verstehen, was das für mich und für mein Leben bedeuten würde und was ich damit machen sollte. All das sollte ich erst nach und nach erfahren und Schritt für Schritt in mein Leben bringen. So startete im Januar 2010 der erste Singkreis in Eckernförde und alles Weitere ergab sich daraus im Laufe der kommenden Jahre und führte mich zu dem, heute mit euch zu singen, Lieder zu schreiben, CDs aufzunehmen…
Und nun zog es mich wieder an diesen Platz, mehr als 10 Jahre später. Neben aller Dankbarkeit für das Schöne, das in diesen Jahren entstanden ist, gab es etwas, das mich rief, ohne dass ich es genauer benennen konnte. Bereits in der Vorbereitungszeit begegneten mir diverse tiefe Ängste. Desöfteren forderte mich in dieser Zeit meine Angst vor der Unberechenbarkeit und Nichtkontrollierbarkeit des Lebens heraus und zeigte mir, wo ich meine eigene innere Freiheit beschränke durch ein Festhalten an falschen Sicherheiten. Und so begleiteten mich der tiefe Wunsch mich meinen Ängsten nicht länger zu beugen und ein Buch von Pema Chödrön „Den Sprung wagen“. Die Autorin ist eine über 80jährige buddhistische Nonne, die mich mit ihren offenen und ehrlichen Worten zutiefst berührt und hilfreich begleitet hat. Und so fand ich mich sofort in ihren Worten wieder: “ Ich erlangte die vollkommen klare Einsicht, dass meine ganze Persönlichkeit, meine ganze Egostruktur, darauf gründete, dass ich diesen Ort der Halt- und Bodenlosigkeit nicht betreten wollte. Alles, was ich tat, die Art, wie ich lächelte, wie ich mit Menschen redete, wie ich versuchte, jedem zu gefallen – all das diente dazu, mich diesem Gefühl nicht aussetzen zu müssen. Ich begriff, dass unsere ganze Fassade – die kleinen Pirouetten, die wir alle drehen – darauf gründet, die Halt- und Bodenlosigkeit zu vermeiden, die unser Leben durchzieht. Wenn wir lernen, uns dem auszusetzen, machen wir uns mit diesem Ort sehr vertraut und ganz allmählich verliert er seine Bedrohlichkeit.“ (P.Chödrön,S. 29)
Diese Orte, denen es sich für mich auszusetzen galt waren die Orte von Schuld und Scham und die Angst vor Zurückweisung und Bestrafung. Ich erinnere mich an viele Situationen ín meinem Leben, in denen ich aus diesen Ängsten heraus nicht meinen Bedürfnissen gefolgt, nicht für mich eingetreten bin oder mich verleugnet habe. Und mir wird bewusst, dass es längst nicht mehr andere Menschen waren, die mich kritisierten. Der größte Kritiker lebte inzwischen in mir selbst. Es hat Zeiten gegeben, da duldete er keinerlei Fehler und verurteilte unablässig jede falsche, unaufmerksame oder unachtsame Handlung. Inzwischen ist er milder geworden, und doch ist er noch da.
Da draußen in England gab es einen Platz, an dem ich hinabschauen konnte auf meinen Platz, an dem ich 2008 geschlafen hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich, wie ich damals dort lag, von Zweifeln zerfressen, hadernd mit mir selbst. Und plötzlich öffnete sich mein Herz und ich konnte sehr liebevoll und mitfühlend zu diesem Menschlein im Schlafsack schauen, das ich selbst war. Ich konnte mir selbst all die Liebe zusenden und zusingen, die ich mir damals so sehr von anderen gewünscht hatte die ich mir selbst nicht hatte geben können. Und ich spürte, dass alles richtig war, so wie es ist. Ich spürte eine Liebe zu mir selbst und große Dankbarkeit für die vergangenen 10 Jahre und für meinen Weg. Und ich stellte fest, dass ich alles habe, was ich brauche, ein erfülltes Leben zu leben.
Mit meiner Seele verbunden meinen Weg gehen zu dürfen ist für mich ein großes Geschenk, meinen Ängsten zu begegnen und sie als Wegweiser in meinem Leben zu betrachten, inzwischen ebenso. „Diese Gefühle, die wir so geschickt zu vermeiden gelernt haben, können unser Herz weich machen und uns verwandeln.“ (P.Chödrön,S.96) Ich glaube, das ist, was unsere Welt zutiefst braucht, dass wir beginnen, liebevoll und sanft mit uns selbst zu werden, uns selbst zu verzeihen und anzuerkennen, dass wir Menschen sind, die Fehler machen. Nur wenn wir uns selbst liebevoll betrachten, können wir auch mitfühlend auf andere schauen und liebevoll mit unserer Erde umgehen. So können wir unser Getrenntfühlen überwinden, unsere Verbundenheit wächst und unsere wahre Natur, unsere Kraft und Größe wird in ihrer ganz eigenen Schönheit sichtbar, die sich in keinem Werbeprospekt finden lässt.
Im Singen und Tönen können wir dieses liebevolle Sein mit uns selbst wunderbar üben. Wenn wir beginnen, uns selbst im Singen liebevoll zu berühren, anstatt das Augenmerk darauf zu richten, besonders gut zu singen, ist der erste Schritt bereits getan. Wenn der Kritiker auch hier gehen darf und das Singen jenseits von Beurteilung und Bewertung stattfindet, können wir wieder zu unserer eigentlichen authentischen Stimme zurück finden. Dann darf der innere Druck aus unserer Kehle weichen und unsere Stimme kann uns tiefer zu uns selbst führen und uns unser wahres Selbst offenbaren.
Liebe Sabine,
was für ein Weg, was für eine Veränderung und wieviel Mut, diesen Weg zu gehen und letztendlich, wieviel Freude und Dankbarkeit er dir auch beschert hat. Und dass du deine Prozesse mit uns teilst, ist ein großes Geschenk und gerade dein letzter Eintrag berührt mich natürlich sehr, da ich 2008 deine Visionsschwester war. Wieviel ist seitdem passiert; wir alle haben uns auf unseren ganz eigenen Weg gemacht und tragen mit unseren Stimmen, unserem Gesang dazu bei, die Erde ein wenig friedlicher werden zu lassen, lassen unser Licht strahlen und verbinden uns im Gesang mit Menschen, die genau auch das wollen: Ich verbinde mich mit mir selbst, mit dem Göttlichen und damit mit allen und allem.
Du schreibst so schön und berührend. Danke dir – Love, Sabine K.
Danke, liebe Sabine, liebe Visionsschwester! So schön, zu spüren, wie die Verbundenheit der gemeinsamen Visionssuche bleibt – über Zeit und Raum hinweg. Und so schön, in diesem Netz gertragen zu sein und zu wissen, jede von uns trägt ihren Teil zum Gelingen des Ganzen bei und wir sind nie alleine. Danke für dein Teilen! Alles Liebe für dich und für deinen Weg! Sabine